International Association Against Psychiatric Assault
c/o Lawyer/Rechtsanwalt André Raeber, Hinterbergstrasse 24, 6312 Steinhausen, Schweiz/SwitzerlandThe association is a Human Rights organization that opposes psychiatric coercion and aims to abolish psychiatric coercive measures altogether, promoting the fundamental rights of self-determination, liberty, and human dignity.
ZWANGSPSYCHIATRIE
EIN
FOLTERSYSTEM
Von
Alice Halmi
Psychiatrische
Zwangsmaßnahmen sind eine “cruel, inhuman, degrading”
(CID)
Behandlung, bzw. Folter und Teil des Mandats von Menschenrechtsorganisationen
Ein
Plädoyer für ein Verständnis von Zwangspsychiatrie als Folter
und damit als Teil des Mandats von Menschenrechtsorganisationen.Vorbemerkung:
Mit diesem Text wird der Versuch unternommen, Zwangspsychiatrie
bzw. psychiatrische Zwangsbehandlung und Unterbringung als Folter und als
nicht-medizinisches, (gesellschafts-)politisches Problem zu begreifen.Ich verstehe diese Abhandlung als einen ersten Beitrag zu der Diskussion und
bitte zu beachten, dass ich den internen Diskurs von Menschenrechtsorganisationen
über Folter in diesem Papier unberücksichtigt gelassen habe.Ich würde mich jedoch freuen, mit anderen Menschenrechtsgruppen, die
sich mit dem Thema Folter und CID-Treatment beschäftigen, in die Diskussion
zu treten.
Zunächst das, was international gilt:
Allgemeine
Erklärung der Menschenrechte,
Artikel 5 (Verbot der Folter):
Niemand darf der Folter oder grausamer,
unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen
werden.Sehr wichtig
ist auch die Antifolterkonvention der UNO mit der darin enthaltenen Definition
von Folter:Definition von Folter aus dem Übereinkommen
gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung
oder Strafe (Antifolterkonvention), angenommen durch die Resolution
der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 10. Dezember 1984, in Kraft
getreten 1987:
Teil 1, Artikel 1, Absatz 1:
(1)
Im Sinne dieses Übereinkommens bezeichnet der Ausdruck “Folter”
jede Handlung, durch die einer Person vorsätzlich große körperliche
oder seelische Schmerzen oder Leiden zugefügt werden, zum Beispiel,
um von ihr oder einem Dritten eine Aussage oder ein Geständnis zu
erlangen, um sie für eine tatsächlich oder mutmaßlich
von ihr oder einem Dritten begangene Tat zu bestrafen oder um sie oder
einen Dritten einzuschüchtern oder zu nötigen, oder aus einem
anderen, auf irgendeiner Art von Diskriminierung beruhenden Grund, wenn
diese Schmerzen oder Leiden von einem Angehörigen des öffentlichen
Dienstes oder einer anderen, in amtlicher Eigenschaft handelnden Person,
auf deren Veranlassung oder mit deren ausdrücklichem oder stillschweigendem
Einverständnis verursacht werden. Der Ausdruck umfasst nicht Schmerzen
oder Leiden, die sich lediglich aus gesetzlich zulässigen Sanktionen
ergeben, dazu gehören oder damit verbunden sind.Um psychiatrischen
Zwang (sowie Entmündigung und Verfolgung) handelt es sich,
wenn
ein Mensch in einer psychiatrischen Anstalt gegen seinen Willen und mit fehlender
Krankheitseinsicht und fehlender Einwilligung in eine Behandlung
eingesperrt und diagnostiziert wird und an ihm zwangsweise schwere körperliche
Eingriffe mit psychiatrischen Drogen (Psychopharmaka) und Elektroschocks verübt
werden.Des weiteren kann psychiatrischer Zwang aus der Fesselung ans Krankenhausbett
(Fixierung), der Nötigung zu Beschäftigungstherapien
und weiterer Entmündigung durch die ungewollte Bestellung einer amtlichen
Betreuung bestehen.Darüber hinaus ist das vom Beurteilten ungewollte Bezeichnen als geistig
krank bzw. das Stellen einer psychiatrischen Diagnose (wie
z. B. schizophren) und der damit einhergehenden Beurteilung als
nicht einsichtsfähige und nicht geschäftsfähige
Person ein Element der Zwangspsychiatrie.Außerdem erfahren viele Betroffene – einmal diagnostiziert
und in das psychiatrisch-staatliche System geraten – jahrelange Verfolgung
durch PsychiaterInnen, Gesundheitsämter oder sozialpsychiatrische Institutionen.Psychiatrischer
Zwang erfüllt folgende Kriterien der Definition von Folter aus der Antifolterkonvention
der UNO:
1. Einer Person werden große körperliche oder seelische Schmerzen
oder Leiden zugefügt
2. Das Ziel ist die Aussage eines Geständnisses bzw. eine Aussage
3. Es geschieht, um die Person einzuschüchtern und zu nötigen
4. Gehandelt wird auf Grundlage von Diskriminierung.
5. Die Leiden werden auf Veranlassung und mit ausdrücklichem Einverständnis
von Angehörigen des öffentlichen Dienstes verursacht.Zu 1.) Einer
Person werden große körperliche oder seelische Schmerzen oder Leiden
zugefügt:
Psychopharmaka
verursachen sowohl körperliche als auch seelisch-geistige Leiden. Sie
greifen in nahezu sämtliche Körperfunktionen ein und rufen mit hoher
Wahrscheinlichkeit Symptome verschiedenster körperlicher Erkrankungen
hervor (wie z. B. Parkinson, Kreislaufbeschwerden, Herzschäden, Augenkrankheiten,
motorische Fehlfunktionen, Verhinderung des Sexualtriebs, krankhafte Veränderungen
des Blutbildes und des Knochenmarks etc.).Auf seelischer und geistiger Ebene wirken Psychopharmaka (insbesondere Neuroleptika)
stark emotional und geistig beeinträchtigend: sie dämpfen und hemmen,
verursachen kognitive Störungen, Bewußtseins- und Persönlichkeitsveränderungen
und verursachen Sucht.1Die sogenannte Elektrokrampftherapie (Elektroschock) erzeugt innere Kopfverletzungen:
es wird ein künstlicher epileptischer Anfall im Gehirn (Gehirnkrämpfe)
hervorgerufen, die Teile des Gehirns zerstören bzw. verändern. Gehirnblutungen,
kognitive Störungen und Gedächtnisverluste, intellektuelle und emotionale
Trübungen etc. sind die Folgen. Die Gefolterten verlassen die EKT-Behandlung
verängstigt oder apathisch.2Die Erfahrung von Entrechtung, Freiheitsberaubung, Gewalt und Ohnmacht an
sich, das Eingesperrt sein, die Fesselung, die Verhinderung eines selbstbestimmten
Tagesablaufes, die Entmündigung durch einen Betreuer und die Stigmatisierung
durch eine oft lebenslang anhaftende psychiatrische Diagnose,
das Absprechen von Vernunft, Urteilsfähigkeit und Verantwortung und der
damit verbundene soziale Abstieg fügen den Betroffenen ebenfalls große
Leiden zu.Darüber hinaus sind willkürliche Schikanen durch das Krankenhauspersonal
wie Beleidigungen, Bloßstellungen vor anderen, Nicht- ernst- nehmen,
Sich- lustig- machen und willkürliche Verbote gängige Praktiken
in psychiatrischen Anstalten. Es herrscht ein großes Machtgefälle
zwischen Krankenhauspersonal und Insassen, in dem die Machthaber in einem
quasi rechtsfreien Raum agieren können, d. h. ohne (oder nur sehr schwer)
für Verstöße gegen die (Menschen-)Rechte der Insassen zur
Rechenschaft gezogen werden zu können. Denn: Erstens wird Verrückten
nicht (oder weniger) geglaubt, wenn sie von erlittenen Demütigungen berichten
und zweitens werden willkürliche und nicht nachvollziehbare Maßnahmen
wie Besuchsverbote, Einsperren in Isolierzimmer (auch im Gefängnis übliche
Foltermethoden) oder Ausgangsverbote als therapeutische Maßnahmen dargestellt.3
Auch von Repressionen innerhalb von Anstalten, die auf Ereignisse wie beispielsweise
dem Singen von Insassen in fröhlicher Runde erfolgen, wird berichtet.Das körperliche und seelische Leiden der von psychiatrischer Folter Betroffenen
geht oftmals weit über die Zeit der Internierung in einer psychiatrischen
Institution hinaus: Psychopharmaka und Elektroschocks verursachen unter Umständen
irreversible Spätschäden, zum Beispiel motorische Störungen
wie tardive Dyskinesien oder geistige Defizite. Die Insassen verlassen die
Psychiatrie mit angegriffenem Selbstwertgefühl und als verunsicherte
und verängstigte Personen und sind oft lebenslanger Verfolgung ausgesetzt.
Selbst in sogenannten medizinischen und psychologischen Fachkreisen wird von
Traumatisierung durch die Psychiatrie gesprochen.Gesellschaftlich gesehen sind die langfristigen Folgen psychiatrischer Stigmatisierung
und Gewalt oft ein drastischer sozialer Abstieg: Verlust von gesellschaftlicher
Anerkennung, beruflichen Chancen und auch Wohnsitz. Einige Psychiatrieopfer
nehmen sich sogar aus Verzweiflung während oder in folge eines Psychiatrieaufenthaltes
das Leben.Zu 2.) Das
Ziel ist ein Geständnis bzw. eine Aussage
Geständnisziel dieser Art von Folter ist die Krankheitseinsicht
und damit die Behandlungswilligkeit.
Die Krankheitseinsicht des Gefolterten ermöglicht es
– die oben genannten Mißhandlungen von Ärzten und son stigem Krankenhauspersonal
als medizinische
Maßnahmen und als Hilfeleistung zu verstehen und zu rechtfertigen.
– die Notwendigkeit des Freiheitsentzugs glaubhaft zu ma chen, Entrechtung
zu legitimieren
– Entmündigung als Betreuung, Schutz und Maßnahme zum angeblichen
Wohle der Betroffenen darzustellen
– Verleumdung und Diskriminierung zu verschleiern
– Menschen zu kontrollieren, gefügig und nach Möglich keit gesellschaftlich
und volkswirtschaftlich funktionsfä hig zu machen
– die Fortführung der sogenannten Behandlung außer
halb einer psychiatrischen Anstalt zu garantieren.
Vor allem für die Gewährleistung der dauerhaften Kontrollierbarkeit
einer psychiatrisierten Person hat das Geständnis Krankheitseinsicht
höchste Bedeutung und den größten Effekt, wenn es gelungen
ist, dass die durch
Folter
–
ein BeispielAusschnitt,
entnommen dem Dossier Heilberufe, einer Informationsschrift
von amnesty international bzw. deren Aktionsnetz Heilberufe,
2. Ausgabe Mai 2000
(Quelle: http://www.ai-aktionsnetz-heilberufe.de/docs/ai_aktionsnetz/dossier.pdf)
Damit dokumentieren die Amnesty Heilberufe in Deutschland, wie sie zwangsweises
Elektroschocken nur in den Fällen als Folter zu sehen vermögen,
wenn es weit weg und von bestimmten Regimen ausgeübt wird.die Folter gebrochene
Person nicht nur Krankheitseinsicht vorgibt, sondern am Ende auch glaubt,
krank zu sein.Zu 3.) Es
geschieht, um die Person einzuschüchtern und zu nötigen
Es bedarf der Einschüchterung und der Nötigung
– um den Aufenthalt der Insassen in einer psychiatrischen Anstalt reibungs-
und widerstandslos zu gestalten,
– um zu dem Geständnisziel Krankheitseinsicht zu gelangen,
– und um so die unter Punkt 2 erwähnte Fortführung der Kontrolle
über die Person zu gewährleisten.
Die Misshandlungen sind ein Mittel, den Willen und den Widerstand der Betroffenen
zu brechen. Dazu beispielhaft ein Zitat des psychiatriekritischen Psychiaters
Peter Breggin: Der Elektroschock wirkt auch deshalb, weil er Angst und
Schrecken verbreitet. Es ist so, wie einer meiner guten Freunde, den man elektrogeschockt
hat, gestern zu mir gesagt hat: Nach dem ersten Schock hätte ich
alles getan, um entlassen zu werden. Ich machte dann alles, was sie von mir
wollten. 4Die Wirkungen von Psychopharmaka (insbesondere von Neuroleptika) und Elektroschocks,
nämlich die betroffenen Personen psychisch und motorisch zu hemmen und
zu dämpfen, sind nicht – wie oft fälschlicherweise angenommen- bloße
Nebenwirkungen von heilenden Medikamenten. Sie werden von den
anordnenden Ärzten vorsätzlich herbeigeführt, in der Regel
wohl wissend oder in Kauf nehmend, dass die Betroffenen darunter leiden und
dass die Ruhigstellung nach außenhin der menschlichen Umwelt (und den
Psychiatern selber) dient, aber nicht der Lösung für die dem verrückten
Verhalten möglicherweise zugrunde liegenden Probleme.Darüber hinaus werden Psychopharmaka und Elektroschocks eingesetzt, um
gesellschaftlich unerwünschte und störende Emotionen und Gedanken
(z. B. Ärger, Antriebslosigkeit oder Niedergeschlagenheit) zu zerstören.
Es ist fragwürdig, ob das mit diesen Methoden gelingt, weist aber darauf
hin, dass damit der Versuch unternommen wird, Menschen gesellschaftlich funktionsfähig
zu machen.Neben den unter Punkt 1) beschriebenen Misshandlungsmethoden ist die Gehirnwäsche
mittels psychiatrischer Ideologie ein gängiges Mittel zur Einschüchterung:
PsychiaterInnen (gestützt durch ihre Glaubwürdigkeit und Autorität
in Gesellschaft und Wissenschaft) und Krankenhauspersonal unter der Beteiligung
autoritätsgläubiger Angehöriger reden auf die vermeintliche
PatientIn ein, die sich, eingesperrt und mit Drogen benebelt und
dazu noch möglicherweise in einer Lebenskrise steckend, in einer ohnmächtigen
Lage befindet.
Gebräuchlich angeführt wird dabei die Lüge,daßUnbehandelte
ihr Leben lang chronisch krank bleiben.
Gehirnwäsche und Folter funktionieren so, dass sich bei den Betroffenen
Furcht vor lebenslanger Stigmatisierung als psychisch Kranker,
sich einstellender Lebensunfähigkeit, Wiederholung der erlittenen oder
gar noch schlimmeren Qualen (zum Beispiel Verabreichung einer Depotspritze
oder von Elektroschocks im Falle des Nichteinnehmens der Tabletten) und noch
längerem Anstaltsaufenthalt einstellt.In einer Erklärung widerständiger Psychiatrieerfahrener wird daher
gefolgert: Das Ende der Martern nur um den Preis sogenannter Krankheits-einsicht
führt in Verbindung mit falschen Hilfsversprechen zu einer breiten Akzeptanz
individualisierter Wahrnehmung der Unterdrückung. Gleichzeitig wird eine
falsche Hoffnung auf Wiedererlangen der eigenen Würde durch Identifikation
und vorauseilenden Gehorsam gegenüber dem kolonialisierenden Apparat
erzeugt.5Zu 4.) Gehandelt
wird auf Grundlage von Diskriminierung
Die Diskriminierung besteht aus der Etikettierung von Menschen als geistig
krank und der Vergabe von entsprechenden Diagnosen wie schizophren
oder manisch-depressiv.Das Konzept der psychischen Krankheit beruht aber nicht, wie vielfach
angenommen, auf medizinisch-wissenschaftlichen Tatsachen, sondern auf Unterstellungen
von angeblich “krankhaften Ursachen für unerwünschtes
Verhalten.6 Psychiatrische Diagnosen werden in letzter Zeit
verstärkt biologisch und genetisch begründet, so dass rassistisch-biologistische
Theorien wie Geisteskrankheit als Erbkrankheit Aufwind erhalten.Verbunden mit den Diagnosen ist das Absprechen der Fähigkeit zur vernünftigen
Urteilsbildung, Einsicht und Selbstverantwortung. Beispielhaft ist die im
Betreuungsrecht festgelegte Definition eines freien Willens, der
durch die Merkmale Einsichtsfähigkeit des Betroffenen und dessen
Fähigkeit, nach dieser Einsicht zu handeln gekennzeichnet sei.
Geistesgestörte besitzen demnach keinen freien Willen,
wie im Betreuungsrecht erläutert wird.7Psychiatriebetroffenen wird aufgrund dieser Diskriminierung und Behandlung
ihr Menschsein an sich als vernunftbegabtes, mündiges und zur Selbstbestimmung
fähiges, mit Würde ausgestattetes Wesen abgesprochen.
Die Diskriminierung ist die Grundlage für die Deklarierung der Folterungen
als medizinische Maßnahmen. Es werden Menschen zweiter Klasse geschaffen,
für die Sondergesetze gelten, deren Menschenwürde angetastet und
deren sämtliche Grundrechte bzw. Menschenrechte eingeschränkt bzw.
außer Kraft gesetzt werden dürfen.Zu 5.) Die Leiden werden auf Veranlassung und mit ausdrücklichem Einverständnis
von Angehörigen des öffentlichen Dienstes verursacht
Psychiatrische Zwangsbehandlung und Unterbringung sowie die Bestellung einer
amtlichen Betreuung wird in Deutschland legitimiert über
die PsychKGs (psychisch Kranken Gesetze) und dem Betreuungsrecht.
Um eine Unterbringung bzw. Zwangsbehandlung im konkreten Falle zu genehmigen,
bedarf es eines ärztlichen Gutachtens, auf dessen Grundlage das Gericht
entscheidet. Falls eine amtliche BetreuerIn für die entsprechenden Zuständigkeitsbereiche
vorhanden ist, hat diese selber die Möglichkeit, eine Unterbringung anzuordnen.
Auch das örtliche Gesundheitsamt (sozialpsychiatrischer Dienst) und die
Polizei sind im Spiel: Mitarbeiter des Gesundheitsamtes haben die Berechtigung,
Psychiatrisierte ungewünscht in ihrer Wohnung aufzusuchen und gegebenenfalls
über Einweisung durch seine Amtsärzte ungewollte Unterbringungen
unter Zuhilfenahme von Polizeigewalt zu veranlassen.
Die Betroffenen haben die Möglichkeit, Einspruch gegen Unterbringung
und Zwangsbehandlung zu erheben und bekommen einen anwaltlichen Pflichtverteidiger
zugewiesen, was jedoch in den wenigsten Fällen zu einer Aufhebung der
Unterbringung/Zwangsbehandlung führt, da die Gerichte den Ärzten
in aller Regel Folge leisten.Psychiatrische
Folter unter dem Deckmantel der Medizin
PsychiaterInnen, Krankenhauspersonal und GesetzgeberInnen behaupten, zum Wohle
der Betroffenen zu handeln und Hilfe zu leisten. Im Gegensatz zur ärztlichen
Behandlung nicht psychiatrisch diagnostizierter Menschen, die der Einwilligung
der Patienten bedarf, erfolgen Behandlung, Unterbringung und Betreuung
in der Zwangspsychiatrie auch ohne Einwilligung der Betroffenen und damit
ohne Berücksichtigung dessen, ob diese selber der Ansicht sind, es sei
zu ihrem Wohle.
Der Freiheitsentzug wird häufig begründet mit der Zuschreibung von
Personen als selbst- oder fremdgefährdend. Hierbei handelt
es sich nicht um das Resultat begangener Straftaten – was als Grund für
die Inhaftierung normaler Straftäter gilt -, sondern um eine
subjektive Unterstellung potentiellen zukünftigen Verhaltens einer Person,
der ihre Verantwortlichkeit abgesprochen wird. Die Internierung in psychiatrischen
Anstalten gerät somit zu einer Art von Schutzhaft.
Aufgrund des Fehlens der Einwilligung eines Patienten in psychiatrische
Behandlung kann diese weder als medizinisch oder therapeutisch noch als Hilfeleistung
gelten, sondern muß als schwere Menschenrechtsverletzung und als ein
autoritärer und paternalistischer Akt bewertet werden.
Pychiatrische Folter und psychiatrische Ideologie im Dienst sozialer Kontrolle
und Herrschaft
Edward Peters, der sich in seinem Buch Folter. Geschichte der
peinlichen Befragung8 mit Wesen und Zweck der Folter
befasst, konstatiert, dass ein spezielles Element der Folter
[…] die Quälerei ist, der jemand seitens einer
staatlichen Instanz aus vorgeblich öffentlichem Interesse unterworfen
wird (S.23). Folter soll demnach als Ausdruck der Auffassung
einer Regierung über die staatliche Ordnung gesehen werden
(S.10). Ziel der Folter kann auch sein, den Willen des Opfers zu
brechen, damit es sich einem System und einer Ideologie unterwirft
(S.208). Dabei setzt Jede Ideologie […] ein Menschenbild voraus,
eine Vorstellung davon, was menschliche Wesen sind und wie mit ihnen umgegangen
werden muß, um die Gesellschaft aufbauen zu können, die die jeweilige
Ideologie fordert (S.210).
Auch hinter psychiatrischer Folter stecken bestimmte Vorstellungen über
eine gesellschaftliche Ordnung und politische Ziele, eine Ideologie und ein
dem zugrunde liegendes Menschenbild:
auf der einen Seite das Bild des idealtypisch vernünftigen und rational
denkenden Menschen und eine gesellschaftlich konstruierte Norm für einen
gesunden und normalen Menschen, der den gesellschaftlichen
und ökonomischen Gegebenheiten angepaßt ist.
Im Gegensatz dazu steht auf der anderen Seite der unvernünftige, irrationale
Geisteskranke, der stört, verunsichert, nicht funktioniert
und weniger verwertbar und nützlich für Gesellschaft und Wirtschaft
ist.
Auch der US – amerikanische Psychiatriekritiker und Psychiater Ron Leifer
geht von dem Bestehen einer psychiatrischen Ideologie aus:9
Das medizinische Modell gibt vor, wissenschaftlich zu sein, aber
es funktioniert wie eine Ideologie. Es ist eine Ideologie, weil es die Ähnlichkeiten
zwischen medizinischer Krankheit und “geistiger Krankheit
hervorhebt, nämlich, das beide Leiden und Unvermögen nach sich ziehen.
Und es leugnet die Unterschiede, nämlich, dass das aus medizinischer
Krankheit” entsprungene Leiden und Unvermögen durch nachweisbare
Veränderungen im Körper verursacht worden ist, während das
aus “geistiger Krankheit” hervorgegangene Leiden und Unvermögen
keine nachweisbaren körperliche Ursachen hat und stattdessen zurückzuführen
ist auf Sprache (speech), Gefühle und soziales Verhalten (social conduct).
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