International Association Against Psychiatric Assault
c/o Lawyer/Rechtsanwalt André Raeber, Hinterbergstrasse 24, 6312 Steinhausen, Schweiz/SwitzerlandThe association is a Human Rights organization that opposes psychiatric coercion and aims to abolish psychiatric coercive measures altogether, promoting the fundamental rights of self-determination, liberty, and human dignity.
HOFFNUNGEN
und
ZIEGELSTEINE
Von
Igor Girich / Rußland
Im
Osten was Neues:
ein Bericht aus Rußland
Seit
der ersten ZWANG hat sich in Rußland eine Menge getan.
Zum ersten Mal können wir hoffen, dass positive Veränderungen noch
möglich sind: Der Prozess “Rakevich gegen Rußland” hat
dies gezeigt.Und das kam so: Im Oktober 2003 hat der Europäische Gerichtshof für
Menschenrechte Rußland empfohlen, seine Gesetze zur psychiatrischen
Zwangsbehandlung zu ändern. Denn der Fall “Rakevich gegen Rußland”
wurde von Tamara Rakevich gewonnen, die mit Zwang in einer psychiatrischen
Anstalt eingesperrt worden war. Weiter unten folgt in gekürzter Form
ein Bericht darüber aus der russischen Zeitung “Gazeta” (der
gesamte Text ist auf Englisch hier veröffentlicht:
www.psychiatrie-erfahrene.de/rakevich.htm).
Tamara Rakevich wurde zwangsweise ohne irgendeinen Grund in Ekaterinburg im
psychiatrischen Krankenhaus festgehalten und empfängt durch die Entscheidung
des Gerichtes eine Entschädigung von 3.000 Euro.Die 42 Jahre alte Bürgerin der Stadt Ekaterinburg, Tamara Rakevich, wurde
dort am 26. September 1999 ins psychiatrisches Krankenhaus Nr. 26 eingeliefert.
Der Vorwand für die Zwangsbehandlung wurde durch eine Bekannte gegeben.
Wie von Frau Rakevichs Rechtsanwalt der “Gazeta” berichtet wurde,
traf sie eine gewisse ” Anna Demeneva” bei einer gemeinsamen Bekannten
in deren Wohnung, um einige religiöse Fragen zu besprechen.Beim gemeinsamen Lesen der Bibel endete die Diskussion theologischer Fragen
in einem Konflikt. Die Bekannte des Opfers hatte, nachdem sie bemerkte, dass
Frau Rakevich während des Lesens der Bibel weinte, entschieden, einen
Psychiater anzurufen. Hinzu kam, dass ihrer Bekannten, eine Zeugin Jehovas,
der Glaube des Opfers, einer orthodoxen Christin, merkwürdig vorkam.
Die Psychiater, die auf den Anruf herbeieilten, behaupteten, dass Tamara Rakevich
in einem “beunruhigenden Zustand” sei und das war, ihrer Meinung
nach, die hinreichende Grundlage für eine Zwangsbehandlung in einem psychiatrischen
Krankenhaus.Tamara wurde im psychiatrischen Krankenhaus Nr. 26 in Ekaterinburg 39 Tage
lang ohne eine abschließende Entscheidung durch das Gericht eingesperrt.
Im Krankenhaus stellten die Ärzte fest, dass die Patientin “in
einem Zustand einer starken geistigen Frustration und vollständig verwirrt
war”: die Patientin lehnte es ab, mit ihnen zusammenzuarbeiten.Am 28. und 29. September 1999 wurde dann von den Psychiatern im Krankenhaus
diagnostiziert, dass die Patientin an “paranoider Schizophrenie”
leiden würde und eine Behandlung, die der Diagnose entsprach, wurde eingeleitet.
So wurde sie nach Auskunft der Rechtsanwältin von Frau Rakevich einer
zwangsweisen Verabreichung von Medikamenten trotz Widerspruchs ihrer Klientin
unterzogen.Entsprechend der Dokumentation der Ärzte benahm sich Frau Rakevich während
des gesamten Zeit der sog. “psychiatrischen Korrektur” unbeteiligt
und schrieb reihenweise Beanstandungen.Am 5. November 1999 traf, auf Bitten der Psychiater, in Ekaterinburg ein regionales
Gericht eine Entscheidung über die Zulässigkeit der Zwangbehandlung
von Frau Rakevich. Sie schrieb Beschwerden, aber wie üblich ohne Erfolg…Demeneva beharrte darauf, dass das regionale Gericht unrecht habe, weil es
unfairerweise den Fall verzögert hatte. So hatte die Entscheidung des
Gerichts 39 anstelle von nur 5 Tagen gedauert, die vom Gesetz vorgegeben sind.
Die vorgeschobene Behauptung, dass Frau Rakevich Handlungen eine Bedrohung
anderer seien, wurde von ihren Rechtsanwälten widerlegt.In Betracht aller Umstände im Fall Rakevich, hat das Gericht in Straßburg
entschieden, dass die Entscheidung des russischen Gerichts Artikel 1, Punkt
5 der Europä ischen Menschenrechtskommission widerspricht, der besagt,
dass “jeder das Recht zur Freiheit und Sicherheit der Person hat. Niemand
darf seiner Freiheit beraubt werden, außer in den spezifizierten Fällen
und in Übereinstimmung mit einem Verfahren, das durch das Gesetz vorgeschrieben
wird. Dieses Verfahren wurde von den Richtern in Ekaterinburg völlig
außer Betracht gelassen. Entsprechend hat das Gericht entschieden, dass
die Regierung der russischen Föderation der Antragstellerin innerhalb
von drei Monate eine Geldstrafe von 3.000 Euro in Rubel zu zahlen hat. Zusätzlich
wurde Rußland dringend nahegelegt, Änderungen der Gesetzgebung
bei sog. “psychiatrischer Hilfestellung” vorzunehmen.Die Reaktion des Systems, dessen “Änderungen” und “Entwicklungen”
In einer Zeit, in der wir uns Veränderungen zum Besseren erhoffen, träumen
andere von gänzlich anderen Perspektiven. Ich spreche von der Diskussion
in der Duma (russisches Parlament) über ein Programm, das “Entwicklung
der psychiatrischen Pflege in der russischen Föderation” genannt
wird.Das psychiatrische System hat es initiiert. Wir hören die üblichen
Töne: “Die Zahl der Geisteskranken ist drastisch gestiegen, es sind
gefährliche Leute, wir haben nicht genügend moderne Drogen…”
Das ist kein nationales Lied, sondern ein internationales: haben Sie es nicht
auch im “progressivsten ” Land gehört?Das Ziel ist, kurz gesagt, die Zahl der psychiatrischen “Krankenhäuser”
(die bestehenden 296 sind offenbar nicht genug für ihren Appetit) und
die Gelder für die, die angeblich pflegen”, zu erhöhen…Sie planten eine Menge Änderungen im Gesetz “über psychiatrische
Hilfe…” in einer Weise, die erheblich grundlegende Menschenrechte unbeachtet
läßt, das Verfahren der unfreiwilligen Einsperrung vereinfachen
und Versuche an den psychiatrischen Gefangenen, legalisieren sollte. Dieses
Projekt wurde von einer Gruppe Moskauer Psychiater, hauptsächlich vom
Institut Serbsky vorgeschlagen (dasZentrale Institut der Forensischen Psychiatrie).Wir versuchten entgegenzuwirken, indem wir E-Mails an Duma-Delegierte schickten,
mit der Bitte, die Pläne der Psychiater zu stoppen. Aber diese Art der
Kommunikation steht unter fast totaler Überwachung… “Staatssicherheit”
in Rußland heißt jetzt, insbesondere solche unerwünschten
Nachrichte, zu blockieren. Sie scheinen die Empfänger nicht erreicht
zu haben. So mußten wir die gewöhnliche Post verwenden. Es ist
der teurere Weg, aber wir hoffen, dass mindestens einige der Briefe ihr Ziel
erreicht haben. Infolgedessen sahen wir einen positiven Effekt – die Duma
hat diese Gesetzesänderungen nicht akzeptiert und den Plan “der
Entwicklung der psychiatrischen Pflege…” abgelehnt. Wie in der russischen
Zeitung “Izvestiya” zu lesen war, haben nicht nur wir versucht,
die Situation zu beeinflussen – möglicherweise waren die Bemühungen
anderer effektiver. Gott sei Dank – die Duma hat sich von diesem Programm
distanziert.Die Hauptschwierigkeiten
In den letzten drei Jahren war die Psychiatrie in einer schwierigen Situation.
Oberst Budanov, der im Frühjahr 2000 der Ermordung eines Tschetschenenmädchens
beschuldigt wurde, wurde mehrmals psychiatrisch untersucht. Experten des Serbsky-Instituts
“diagnostizierten, dass der Oberst zur Zeit des Verbrechens vorübergehend
geisteskrank war. Das Urteil des Gerichts hängt von der Entscheidung
der Mitglieder der “Sachverständigen Kommission” ab.
Auch der sogenannte Unabhängige Psychiatrische Verein” wurde
in diese “Konkurrenz der Experten” mit einbezogen. Weil dieser Fall
von entscheidender Bedeutung ist, wie der Staat sich in ähnlichen kriminellen
Fällen in Tschetschenien verhält, schwankte der Oberst entsprechend
zwischen “geisteskrank”, “vorübergehend geisteskrank”,
“gesund” und “vorübergehend gesund”. Die unterschiedlichen
“Kommissionen der Experten” zogen ihre widersprüchlichen Schlüsse.
Dieser Fall hatte große gesellschaftliche Resonanz – einige Leute glaubten
sogar, dass Budanov ein Held dieses Krieges sei. Schließlich wurde Budanov
für 10 Jahre (nicht psychiatrisch) eingesperrt.Eine “gefährliche” Sitzung wurde verhindert
Aber noch gab es keine sichtbaren positiven Änderungen. Heute fanden
wir einen Rechtsanwalt, der bereit ist, einen langfristigen psychiatrischen
Gefangenen, Igor Gubin, zu verteidigen, der in einer lokalen “medizinischen”
Anstalt zu ungefähr einem Haftjahr verurteilt worden ist (und dies nicht
zum ersten Mal). Die Psychiater waren nicht sehr erfinderisch, wenn es darum
ging, Igor vor ihrer unerwünschten “Hilfe” zu schützen
– sie lehnten es einfach ab, ihm Zugang zu einem Rechtsanwalt zu gewähren.
——
Vorher—
Nachher
Ein “Geschenk”
Im Gegenteil, die Psychiater in Barnaul glaubten, dass das Gebäude “des
Krankenhauses” zu viele Fenster hat, um “therapeutisch wirksam”
zu sein. Ende 2003 haben sie ein Fenster mit Ziegelsteinen zugemauert. Die
Toilette, die immer ein Ort von Sitzungen und Diskussionen war, ein Ort, an
dem man etwas Frischluft von draußen einatmen konnte, wurde zu einem
fensterlosen Kasten. Dieses Fenster können Sie auf dem Foto
in der vorhergehendem ZWANG sehen. Jetzt sieht es wie auf diesem Bild
abgebildet aus.Ein kosmetischer
Verteidiger
Traditionsgemäß sind Gerichte und Staatsanwälte in Russland
nicht wirkungsvoll, was das Verteidigen von Bürgern, die von den Psychiatern
unterdrückt werden, betrifft. Die Staatsmacht versucht, deren Bemühungen
diesbezüglich zu unterlaufen, indem sie das Institut des “Ombudsmannes”
als alternativer Staats-“verteidiger” vorstellte. Aber “Man
wird sie an ihren Früchten erkennen…” (Matthäus 7:16). Geschaffen
analog zu den westlichen Ombudsmännern, haben sie bis jetzt die Ähnlichkeit
nur im Titel gezeigt. Was ich hier schreibe, basiert auf unserer Erfahrung,
an diesen Altai-“Ombudsmann” zu appellieren: es war nicht wirkungsvoller
als eine Bitte an “Ärzte”, sie mögen uns nicht ihren Mist
einspritzen.Nicht nur
Menschenrechte
Psychiatrische Ideologie ist in verschiedene Bereiche der Gesellschaft eingedrungen.
Ich glaube, dass eine gemeinsame Auffassung der Menschenrechte nicht hinreichend
ist, wenn wir ohne Psychiatrie leben möchten – das Recht eines Volkes
könnte mit dem Recht eines anderen zusammenstoßen, und diese Auseinandersetzung
könnte endlos sein. Wir benötigen eine andere Regelung, die uns
hilft, die Prioritäten der Rechte im Falle einer Auseinandersetzung festzulegen.
Heute wird diese regulative Rolle häufig an Richter, Experten oder einfach
der brachialen Gewalt übergegeben. Die Heilige Schrift enthält die
Schlüssel, die normalerweise nicht im Gebrauch moderner “Gesellschaften
der Menscherechte” sind. Warum verwenden wir sie nicht?